BAUBRANCHE =

MÄNNERBRANCHE?

Die Baubranche ist eine der Branchen, die als besonders männerdominiert gilt. Doch auch hier nimmt der Frauenanteil von Jahr zu Jahr zu. 

Wir haben unterschiedliche Frauen aus der Baubranche mit unterschiedlichen Berufen und unterschiedlichen Lebenswegen getroffen und uns über das Thema "Frauen in der Baubranche" unterhalten.

Warum haben sie sich für diese Branche entschieden? Wie war ihr Weg? Welche Hindernisse konnten sie meistern? Was waren ihre spannendsten Projekte? Wie sehen sie das Thema "Frauen in der Baubranche"? Was würden sie EinsteigerInnen oder generell anderen Frauen raten? Wo sehen sie die größten Chancen?

 

Birga_rund

Dipl.-Ing. (FH) Birga Ziegler, M.Sc.

Geschäftsführerin I ilp² Ingenieure

"Mir ist schon im Studium aufgefallen, dass Frauen im Bereich Bauen oftmals unterrepräsentiert sind. Ich finde es wichtig, für Frauen und generell mehr Diversität in unserem Berufsfeld einzutreten. Die Baubranche stellt Weichen hinsichtlich unserer Mobilität, wie wir leben und arbeiten – deshalb müssen auch mehr Stimmen von Frauen gehört werden."

Birga Ziegler absolvierte nach ihrem Diplom als Bauingenieurin an der FH Aachen ihren Master of Science an der TU München im Bereich Bauingenieurwesen und arbeitete anschließend mehrere Jahre in verschiedenen Ingenieurbüros. 2011 gründete sie ilp² Ingenieure und beschäftigt sich dort insbesondere mit Themen des Infrastrukturbaus. Neben ihrer Qualifizierung als Industriekletterin ist sie vom VFIB e.V. als Bauwerksprüferin zertifiziert und bei der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau als Beratende Ingenieurin, Bauvorlageberechtigte und als Nachweisberechtigte für Standsicherheit eingetragen.

linkedin-logo_200x200     xing-logo_200x200      ilp2_200x200

 

 

Entdecken Sie weitere Videos aus der Reihe "Frauen in der Baubranche"

» Mehr Videos entdecken

 

 

Das gesamte Interview

 

Stellen Sie sich bitte kurz einmal vor. 

Birga Ziegler: Ich heiße Birga Ziegler, ich bin 39 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder im Alter von 3 und 7 Jahren. Ich bin im Rheinland geboren und lebe nun im wunderschönen Miesbach auf dem Land. Ich bin als Bauingenieurin geschäftsführende Gesellschafterin bei ilp² Ingenieure und beschäftige mich vor allem mit Themen des Infrastrukturbaus.  

 

Warum sind Sie unserer Anfrage nachgekommen, sich speziell zum Thema Frauen in der Baubranche porträtieren zu lassen?

Birga Ziegler: Seit meinem Berufsstart, oder eigentlich schon während meines Studiums, ist mir aufgefallen, wie unterbesetzt die Baubranche mit Frauen ist. Ich finde es positiv, dass es vermehrt öffentliche Diskussionen über Gleichberechtigung, das Gender Pay Gap und Frauenquoten gibt. Es reicht nur noch nicht. Da ich in der Baubranche tätig bin, sehe ich mich auch als Sprachrohr für mehr Frauen in der Baubranche.

 

Welche Momente im Berufsalltag bereiten Ihnen ganz besonders viel Freude?

Birga Ziegler: Natürlich bereitet es mir sehr viel Freude, wenn wir – die ilp² – gut als Team funktionieren. Hierzu gehört die erfolgreiche Projektarbeit, aber auch die gemeinsame Weiterentwicklung des Unternehmens wie z.B. die Umstellung auf ein ressourcenschonendes Büro oder die BIM-Implementierung im Unternehmen.

 

Welche Hürden haben Sie auf dem Weg zu Ihrem jetzigen Arbeitsplatz gemeistert?

Birga Ziegler: Meinen ersten Job hatte ich in einem kleinen Ingenieurbüro in Aachen. Als ich dann nach meinem Abschluss Vollzeit arbeiten wollte, war ich doch überrascht, wie wenig man verdient als Bauingenieurin. Ich habe mich durchgebissen und es wurde dann mit der Zeit besser.

 

Welche Situation war für Sie prägend im Verlaufe Ihrer Karriere?

Birga Ziegler: Ich wurde für meine alte Firma einige Monate in ein schwedisches Ingenieurbüro ausgeliehen. Das war wunderbar. Dort waren viel mehr Frauen im Unternehmen tätig, es wurden kaum Überstunden gemacht, es gab jeden Morgen ein gemeinsames Frühstück und stets guten Kaffee. Zudem habe ich bei diesem Einsatz gemerkt, dass kein Verlass auf die vermeintlichen Leittiere war – ich habe gelernt, es einfach selbst zu machen. Das hat so gut funktioniert und das hat mich bis heute geprägt.

 

Glauben Sie, dass Frauen mehr Unterstützung in der Baubranche benötigen als Männer und wenn ja, warum?

Birga Ziegler: Ich denke, dass insbesondere Frauen dringend besser von ihren Unternehmen, aber auch von ihren Berufsverbänden unterstützt werden sollten.

Frauen sind dort in allen Bereichen generell unterrepräsentiert. Vor allem in Kammern fällt das doch extrem auf. Bei meinem Berufsverband, der Bayerischen Ingenieurekammer, sieht das nicht anders aus. Die Vertreterversammlung und damit alle Ausschüsse und die Arbeitskreise sind lediglich zu 6 % mit Frauen besetzt. Das finde ich zu wenig.

Bauen ist generell ein gesamtgesellschaftliches Thema, BauingenieurInnen gestalten und fördern das Leben aller Menschen. Es ist sehr wichtig, dass an entscheidenden Stellen mehr Stimmen von Frauen gehört werden.

Der Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern liegt immer noch bei nahezu 25 %. Führungspositionen sind nur verschwindend gering mit Frauen besetzt. Ich glaube, dass auch deshalb viele Frauen so verstärkt in die Verwaltungen gegangen sind (Anm.: der Frauenanteil in öffentlichen Bauverwaltungen liegt bei über 40%), weil dort einfach bessere Teilzeitmodelle und auch nicht ein ganz so großer Leistungsdruck herrscht, wie das beispielsweise in Ingenieurbüros oder im Bauhauptgewerbe der Fall ist. Ich merke aber schon auch, dass viele große Unternehmen Umdenken eingeleitet haben. Es muss hier einfach so kommen, dass mehr Frauen eingestellt werden und auch die Chance bekommen, in Führungspositionen zu arbeiten.

 

Hatten Sie das Gefühl, dass Ihnen im Laufe Ihrer Karriere Steine in den Weg gelegt wurden oder Sie Jobs nicht bekommen haben, gerade weil Sie eine Frau sind?

Birga Ziegler: Ich habe tatsächlich noch oft Angst davor, dass wir schlechtere Chancen in öffentlichen Vergabeverfahren haben, wenn beispielsweise nur eine unserer Projektleiterinnen und ich zum Vergabegespräch fahren. Absurd! Ich habe dann oft das Gefühl, dass ein diverses Team bessere Chancen hat. Schön wäre es, wenn man solche Bedenken nicht mehr haben müsste.

Offen würde niemand aussprechen, dass eine Frau oder ein Frauenteam ungeeignet für den Job oder den Auftrag ist, ich habe aber schon oft von Männern diese Vorurteile gegenüber Frauen mitbekommen. Viele haben Bedenken, dass Frauen jederzeit ganz plötzlich ausfallen und nicht durchsetzungsstark sind.

 

Was halten Sie von einer Frauenquote?

Birga Ziegler: Jedes Unternehmen sollte sich zum Ziel setzen, hier Acht zu geben. Die Selbstverpflichtung zu mehr Vielfalt wird nur schleppend umgesetzt. Dass nun die Frauenquote in Deutschland für Unternehmensvorstände auf den Weg gebracht wurde, finde ich sehr gut. Ich würde mir das auch für einige Bereiche in der Baubranche wünschen. Gerade die Berufsverbände hätten dies ja vermehrt in der Hand.

Bei uns ist es auch so, dass wir ca. dreimal so viele Bewerbungsunterlagen von Männern bekommen als von Frauen. Daher bin ich sehr froh, dass wir dieses Jahr in unserem Unternehmen einen Frauenanteil unter den Ingenieur*Innen von 40 % aufweisen können – das ist richtig gut!

 

Können Sie aus eigener Erfahrung bestätigen, dass diverse Teams besser performen? Warum ist dies so?

Birga Ziegler: Ich bin überzeugt davon, dass das so ist. Wir haben das auch schon immer so in unserem Unternehmen in einem wertschätzenden und vorurteilsfreien Miteinander gelebt. Die Zusammensetzung von Teams mit unterschiedlichen Hintergründen, seien sie nun ethnisch, geschlechtlich oder von der Ausbildung her, hat bei uns immer sehr gut funktioniert.

 

Was würden Sie jüngeren Frauen, die auch eine Karriere in der Baubranche anstreben, raten?

Birga Ziegler: Seid offen, redet miteinander, formuliert klar eure Karrierewünsche und eure Ziele mit euren Vorgesetzten, verkauft euch nicht unter Wert und bleibt gelassen.

 

Was würden Sie anderen Frauen in der Baubranche raten?

Berufseinsteigerinnen rate ich: Seid offen, redet miteinander, formuliert klar eure Karrierewünsche und eure Ziele mit euren Vorgesetzten, verkauft euch nicht unter Wert und bleibt gelassen.

Birga_Ziegler
Dipl.-Ing. (FH) Birga Ziegler, M.Sc. Geschäftsführerin I ilp² Ingenieure

Jungen Frauen rate ich, nicht so viel darauf zu hören, was allgemeingültig als Karriere anerkannt ist, sondern für sich selbst herauszufinden, was man am besten kann, wo die eigenen Stärken liegen – und dann genau das umzusetzen.

Sylvia_Schuster
M.A. Architektin Sylvia Carola Schuster Geschäftsführerin I Projektitekt

Ich rate jungen Architektinnen, sich Vorbilder und Mentorinnen/Mentoren zu suchen, über den Tellerrand zu schauen und mutig und selbstbewusst zu sein.

Susanne_Raulf
Dipl.-Ing. Architektin AKNW Susanne Raulf Geschäftsführerin I Planungsbüro Raulf Architekten

Frauen, die in die Baubranche möchten, sollten keine Selbstzweifel haben, sondern Selbstvertrauen, aber auch Geduld und Durchhaltevermögen. Das Wichtigste ist: den ersten Schritt gehen, ins Machen kommen, Mut haben, vorangehen.

Nicole_Bode-May
Dipl.-Ing. Architektin AKG Nicole Bode-May Senior-Projektleiterin I PL Architekten